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Weihnachtsgeschenke

Nun sind sie also da, die „Weihnachtsgeschenke“ der FOGRA: die neuen Charakterisierungsdaten „FOGRA39“. Die zugehörigen Profile der eci, „ISO Coated v2 (ECI)“ und „ISO Coated v2 300 (ECI)“, werden Anfang Januar zur Verfügung gestellt.

Was hat sich geändert?

Um einen ersten Eindruck zu gewinnen, habe ich die neuen und alten Charakterisierungsdaten mit R verglichen. Die folgenden Bilder zeigen die Abweichungen zwischen FOGRA27 und FOGRA39 in 3 Schnitten durch den L*a*b*-Farbraum (ab-, aL, und bL-Ebene).

Die Farborte aus FOGRA27 sind jeweils als graue Kreise eingezeichnet, die Farborte aus FOGRA39 als schwarze, blaue oder rote Kreise. Die Linien verbinden jeweils gleiche CMYK-Werte in FOGRA27 und 39.

Die Farbe der Linien klassifiziert die Größe der Abweichungen (DELTA E 2000).

fo39vs27-aL
fo39vs27-aL.pdf
fo39vs27-bL
fo39vs27-bL.pdf
fo39vs27-ab
fo39vs27-ab.pdf

Es wird deutlich, dass die Unterschiede vor allem im Bereich dunkler Grau- und Blautöne liegen, die in Richtung Magenta verschoben werden.

Mittelt man alle Werte mit ΔE00>5, so ergibt sich ein CMYK-Wert von 96/91/72/14, ein Lab-Wert von 24,6/-4,3/-6,8 für FOGRA27 und Lab 24,5/1,3/-7,9 für FOGRA39. Die deutlichste Änderung ist hier also die Verschiebung um Δa 5,5 in Richtung Magenta.

Graubalance

Ein genauerer Blick auf die ECI2002-Tabellen zeigt, dass sich diese Änderungen vor allem aufgrund der veränderten Graubalance und der neuen Sollwerte für Blau ergeben:

Der CMYK-Wert 100/100/100/0 war bisher mit C = 7 und h = 170° deutlich grünstichig und ist jetzt völlig neutral (C = 0). Er landet in einer absteigend nach Delta E 2000 sortierten Tabelle mit ΔE00 = 7,4 auf Platz 4.

Graubalance.png
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Die Plätze 1 bis 3 gehören den CMYK-Werten 100/100/70/0, 100/100/70/20 und 100/100/85/0, also sehr dunklen, bunt aufgebauten Blautönen. Ihre ΔE00-Werte liegen zwischen 8,2 und 7,9. Die Helligkeit hat sich kaum verändert (ΔL 0,2…0,7), sie wurden aber mit ΔH = 6 deutlich violetter.

Auf Platz 19 taucht erstmals ein dunkler Grünton auf: CMYK 100/85/100/0 wird aufgrund der veränderten Graubalance mit ΔE00 = 5,4 und ΔC = –6,7 in FOGRA39 wesentlich neutraler.

Blautöne

Auf Platz 28 liegt mit CMYK 100/100/0/20 der erste unbunt aufgebaute Wert: sein ΔE00 gegenüber FOGRA27 beträgt 4,6 und er ist mit ΔLab -0,8/5,7/1,4 deutlich violetter geworden.

Andere Blautöne wie
CMYK 100/100/0/0 (ΔE00 = 4,4 / Δa = 5,8, Platz 38),
CMYK 100/ 85/0/0 (ΔE00 = 4,2 / Δa = 5,2, Platz 45) und
CMYK 100/ 70/0/0 (ΔE00 = 4,2 / Δa = 4,2, Platz 89) zeigen den gleichen Trend.

Die Veränderungen in den Volltönen betrifft vor allem Blau (ΔE00 = 4,4), die anderen Primär- und Sekunderfarben ändern sich mit ΔE00 = 0,6…1,6 deutlich weniger.

Wie stark sich die Veränderungen im Blau in der Praxis auswirken, zeigt folgender Verlauf von Cyan über Blau nach Magenta. Die X-Achse reicht von -100 (= 100% Cyan) über 0 (= 100% Cyan + 100% Magenta) bis +100 (= 100% Magenta), auf der Y-Achse ist der Bunttonwinkel in Grad aufgetragen.

Blauverlauf-1.png
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Ein Blauton wie 100C/80M (x = -20) entsprach in FOGRA27 einem Bunttonwinkel von ca. 276°, den gleichen Buntton erzielt man mit FOGRA39 bei x = -27, also einem CMYK-Wert von 100C/73M.

Blauverlauf-2.png
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Blauverlauf-3.png
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Das Lab-TIF „fo27vs39.tif“ (1,9MB, zum herunterladen: „Ziel speichern unter“) zeigt alle Werte der ECI2002-Tesform für FOGRA27 und FOGRA39 absteigend nach ΔE00 sortiert im direkten Vergleich.

Farbraumvergleich

Der 3D-Farbraumvergleich zeigt, dass FOGRA39 (als Gitternetz dargestellt) vor allem in den Tiefen und dunklen Rot-/Magentatönen über FOGRA27 hinausragt.

FO27vs39wire.png
interaktive 3D-Darstellung öffnen (VRML-Plugin erforderlich)

Proofdienstleister sollten daher kontrollieren, ob der Farbraum ihres Systems ausreicht, um FOGRA39 abzudecken. (Der Medienkeil ist dafür nur bedingt geeignet, da er keine Töne wie 100/100/40/100 enthält). Zuverlässigere Aussagen gewinnt man durch einen 3D-Farbraumvergleich zwischen dem Proofer-Profil und ISO Coated v2, z.B. mit ICCView, ArgyllCMS oder ICC Examin. Kritische Bereiche sollte man anschließend visuell Überprüfen. Dazu eignen sich z.B. Verläufen von Schwarz nach 100/100/0/100 oder 0/100/100/100 (CMYK-TIFs zum Download).

Leider gibt es (noch?) keine Referenzdrucke zu FOGRA39, die eine visuelle Kontrolle bzw. Anpassung des Proofsystems ermöglichen würden.

Fazit

Wie das Beispiel unten zeigt, sind bei Motiven, die nur in CMYK vorliegen, sicher in einigen Fällen Anpassungen nötig, um die Magentaverschiebung in kritischen Blau- und Grautönen auszugleichen. Diese Anpassungen können manuell oder durch (Device-Link-) Profilkonvertierung erfolgen, sind aber immer mit leichten Qualitätseinbußen verbunden. Verfahrensneutral vorliegende Motive lassen sich dagegen ohne Probleme für FOGRA39 verwenden.

Beispiel_blau_kl.jpg
Bild als L*-RGB-TIFF öffen / herunterladen

Druckereien werden mit den neuen Referenzdaten und Profilen sicher sehr zufrieden sein: Die Probleme, die viele mit dem FOGRA27-Blau hatten, gehören nun wohl der Vergangenheit an. DnS hat gezeigt, dass sich die geänderte Graubalance offensichtlich ohne Schwierigkeiten erreichen lässt und über die geringeren Gesamtfarbaufträge (300 bzw. 330 statt 350%) werden sich sicher nicht nur Rollenoffset-Drucker freuen. Problematisch könnte in diesem Zusammenhang lediglich ein Mix aus alten und neuen Daten sein.

Soweit mein erster Eindruck. Alle Äußerungen geben lediglich meine persönliche, ganz private Meinung wieder. Über Anregungen, Kritik, Fragen, Korrekturen, usw. per E-Mail an k@archer@digitalproof.fake@invalid.cominfo freue ich mich jederzeit.

Klaus Karcher, 22.12.2006

Letzte Aktualisierung: 23.12.06